Rolls-Royce Phantom: 100 Jahre Luxus
Seit 1925 steht der Rolls-Royce Phantom wie alle Modelle des Unternehmens als Sinnbild für Luxus. In diesem Jahr feiert das britische Traditionsunternehmen das 100-jährige Jubiläum seines Flaggschiffs – ein Meilenstein in der Geschichte des Automobilbaus. Doch was macht den Phantom zu einer derartig einzigartigen Ikone? Ein Blick auf seine Geschichte, seine prominenten Besitzer und die außergewöhnlichen Sonderwünsche seiner Kunden gibt Aufschluss.
Das Ende des Silver Ghost
Als der Phantom I im Jahr 1925 der Welt vorgestellt wurde, hatte Rolls-Royce bereits mit dem Silver Ghost einen legendären Ruf als Hersteller von Luxusfahrzeugen etabliert. Doch Firmengründer Henry Royce war 1921 überzeugt, dass der Silver Ghost seine Grenzen erreicht hatte. Der neue Phantom sollte ihn ablösen.
Rolls-Royce lieferte damals das Chassis und den Motor, doch die Karosserie wurde von unabhängigen Karosseriebauern wie Hooper, Park Ward oder Mulliner gefertigt. Diese Praxis erlaubte es den Kunden, ihre Fahrzeuge individuell gestalten zu lassen. Eben jene Individualisierung ist ein Konzept, das die DNA der Marke bis heute prägt.
Phantom I: Der Nachfolger
Mit seinem 7,7-Liter-Sechszylindermotor setzte der Phantom I neue Maßstäbe für Laufruhe und Zuverlässigkeit. Das Fahrzeug wurde nicht in PS beworben – stattdessen stand die Qualität im Fokus. Henry Royce selbst sagte einst: „Qualität bleibt bestehen, wenn der Preis längst vergessen ist.“
Obwohl es keine konkreten dokumentarischen Beweise gibt, kann man wohl davon ausgehen, dass der Name Phantom von Rolls-Royces kaufmännischen Geschäftsführer Claude Johnson geprägt wurde. Er war es, der erkannte, dass die Namensgebung für die Produkte des Unternehmens ein Verkaufsargument sein konnte, und es war seine blühende Fantasie, die 1907 den Namen „Silver Ghost“ für den 40/50 HP hervorgebracht hatte. Im selben Jahr taufte er einen weiteren 40/50 HP „Green Phantom“, bevor er 1909 zwei Exemplaren den etwas eindrucksvolleren Namen „Silver Phantom“ verlieh. Johnson war sich ganz klar der Macht von Namen wie Phantom, Wraith und Ghost bewusst, um die übernatürliche Ruhe und ätherische Anmut der Produkte auszudrücken. Wie anders wäre die Geschichte verlaufen, wenn man sich stattdessen für eines seiner phantasievolleren Werke entschieden hätte, wie The Dreadnought, The Cookie, Yellow Bird oder The Elusive Pimpernel.
Prominente Besitzer und ihre Extrawünsche
Schon früh zog der Phantom ein außergewöhnliches Klientel an. Zu den ersten Besitzern zählten Monarchen, Industrielle und Hollywood-Stars. Berühmte Namen wie Fred Astaire, John Lennon und Elvis Presley prägten die Geschichte des Fahrzeugs. Doch es waren nicht nur ihre Namen, die den Phantom legendär machten, sondern auch ihre individuellen Anforderungen.
Von Anfang an stand Rolls-Royce für Maßarbeit und Individualität. Einige frühe Kunden wünschten Karosserien aus Aluminium, um Gewicht zu sparen, andere integrierten speziell angefertigte Picknicktische, Weinkühler, Tresore und Geheimfächer für Diamanten. John Lennon ließ seinen Phantom V in psychedelischen Farben lackieren – und schuf damit ein ikonisches Symbol der 60er Jahre. Elvis Presley hingegen setzte auf opulenten Glamour: Sein Phantom war mit goldenen Elementen und luxuriösen Verzierungen ausgestattet. Diese Tradition lebt bis heute fort und spiegelt sich in der Bespoke-Abteilung des Unternehmens wider, die nahezu jeden Wunsch der Kunden erfüllt – sei es eine Sternenhimmel-Innenbeleuchtung, ein Safe im Kofferraum oder personalisierte Monogramme.
Von Generation zu Generation
Jede Generation des Phantoms brachte Innovationen mit sich. Der Phantom II (1929) überzeugte mit einem verbesserten Fahrwerk, das den Fahrkomfort signifikant steigerte. In den 1930ern stieg die Nachfrage nach Luxusautos, die nicht nur Komfort und Qualität boten, sondern auch mehr Leistung.
Amerikanische Konkurrenten wie Cadillac, Lincoln und Packard reagierten mit Reihen-Achtzylinder-, V12- und V16-Zylinder-Motoren, die die leistungsstarken Reihen-Sechszylinder-Aggregate, die Rolls-Royce so lange so gute Dienste geleistet hatten, schnell in den Schatten stellten. Angesichts dieses kommerziellen Drucks und dank der Erfahrung des Unternehmens in der Entwicklung und dem Bau von Flugzeugmotoren erhielt der Phantom III, der 1936 auf den Markt kam, einen V12-Motor.
Der Name Phantom zierte bereits 14 Jahre lang die “besten Autos der Welt”, als 1939 der Krieg ausbrach. Rolls-Royce stellte die Produktion jeglicher Autos ein. Als 1945 wieder Frieden einkehrte, war die Welt eine andere. Die Autos mussten jetzt weniger komplex, leichter zu warten und wesentlich günstiger in der Herstellung sein. Ein Rolls-Royce wirkte in dieser Ära aus der Zeit gefallen und deplatziert.
Um den Anspruch an Qualität aufrecht zu erhalten und dennoch Kosten zu sparen erfand Rolls-Royce die Rationalized Range, die 1946 mit dem Silver Wraith debütierte. Dessen neuer Reihen-6-Zylinder-Motor jedoch war ein Rückschritt im Vergleich zum V12-Motor des Phantom III.
Der König klärt
Die Geschichte des Phantom hätte hier zu Ende sein können, doch just zu dieser Zeit wollte das englische Königshaus seine alternde Flotte von Daimler-Fahrzeugen erneuern. Der deutsche Autobauer war die bevorzugte Marke der Windsors. Leider fand sich kein adäquates Fahrzeug im Angebot der Stuttgarter, das den Ansprüchen des Adels genügte. Also wurde 1950 Rolls-Royce gebeten, eine Limousine zu liefern, mit denen die Monarchen ihrer Arbeit nachgehen konnten.
Für Rolls-Royce war die Anfrage die Gelegenheit, einen lang gehegten Wunsch in die Realität umzusetzen. Man produzierte eine Limousine mit Reihenachtzylindern und langem Fahrgestell, sowie einer Karosserie von HJ Mulliner. Während der Produktion erhielt der Wagen den Codenamen Maharajah. (Und ist unter diesem Namen bis zum heutigen Tag bei den Royals im Einsatz)
Als auch von anderen Mitgliedern des Königshauses und Staatsoberhäuptern Anfragen nach ähnlichen Automobilen folgten, war das die Rettung für Rolls-Royce. Das Unternehmen beschloss, dass es für derart prestigeträchtige Autos angemessen wäre, den Namen Phantom wiederzubeleben. In den nächsten sieben Jahren produzierte die Marke nur 18 Exemplare des Phantom IV, darunter ein zweites Automobil für die Royals. Damit gehört der Phantom IV zu den seltensten Fahrzeugen der Welt.
Das letzte Hurra
1959 wurde das Rolls-Royce-Erlebnis mit der Markteinführung des Phantom V noch einmal etwas allgemeiner verfügbar. Der Phantom V war eine Limousine mit Karosseriearbeiten sowohl vom hauseigenen Karosseriebauer der Marke, Park Ward & Co., als auch von anderen unabhängigen Unternehmen, darunter James Young Ltd und HJ Mulliner & Co. (Letztere wurde später von Rolls-Royce übernommen und mit dem eigenen Karosseriebauer zu Mulliner Park Ward fusioniert).
Nach 13 Jahren und 832 Exemplaren hatte der Phantom V genügend technische Upgrades erhalten, um die Bezeichnung Phantom VI zu erhalten. Der letzte Phantom VI, ein Landaulette, wurde 1993 an den Sultan von Brunei ausgeliefert.
Moderne Perfektion: Phantom VII und VIII
Mit der Übernahme von Rolls-Royce durch BMW begann 1998 eine neue Ära. Der Phantom VII (2003) kombinierte klassisches Design mit moderner Technik. Er war das erste Modell mit einem Aluminium-Spaceframe.
Der aktuelle Phantom VIII (2017) verfügt über einen 6,75-Liter-V12-Motor, Luftfahrwerk und umfassenden Digitalisierungsmöglichkeiten – und natürlich (fast) grenzenlose Individualisierungsmöglichkeiten.