Concept Cars: Lamborghini Marzal
Es war der 7. Mai 1967, kurz vor dem Start des Grand Prix von Monaco. Die Sonne spiegelte sich auf den Glasflächen eines Autos, das eher nach Raumschiff aussah als nach Fahrzeug. Fürst Rainier III. und Gracia Patricia fuhren damit die Ehrenrunde, begleitet vom Blitzlichtgewitter der Fotografen. Der Wagen hieß Lamborghini Marzal und war eine Designstudie von Marcello Gandini bei Bertone. Ein Prototyp, der alles infrage stellte, was man bis dahin über Autos wusste.

Der Versuch, Zukunft sichtbar zu machen
Der Marzal war kein Auto im klassischen Sinn. Er war eine Skulptur aus Aluminium, Glas und Wabenmustern. 3,8 Meter lang, 1,1 Meter hoch, fast vollständig durchsichtig. Die Flügeltüren bestanden aus Glas, selbst die Motorhaube war perforiert, das Interieur in silbernes Leder getaucht. Man sah in diesem Auto alles – die Technik, die Passagiere, das Konzept. Gandini wollte „Transparenz“ buchstäblich begreifbar machen. Die Karosserie war so konsequent symmetrisch, dass sie eher an italienisches Industriedesign der späten 1960er erinnerte als an Karosseriebau.1967
Unter der Haube arbeitete ein halber Miura-Motor – ein 2-Liter-Reihensechszylinder mit 175 PS. Entstanden war er aus der V12-Architektur des Miura. Er wurde einfach in der Mitte geteilt. Lamborghini dachte kurzzeitig über einen kleinen GT mit diesem Aggregat nach. Doch der Marzal war nie für die Straße gedacht. Er diente nur einem Zweck: Aufmerksamkeit.

Lamborghini Marzal/Foto: Lamborghini
Das Fahrzeug, das Lamborghini zur Marke machte
1967 war Lamborghini noch ein junger Hersteller. Der Miura hatte gerade die Weltöffentlichkeit verblüfft, doch Ferruccio Lamborghini wollte mehr: ein Statement auf vier Rädern, das seine Marke zwischen Technik und Kunst verortet. Der Marzal war genau das – radikal, überflüssig, spektakulär.
Die Reaktionen waren entsprechend: Die Presse sprach von einem „Raumfahrzeug mit Straßenzulassung“. Niemand hatte je zuvor eine derart gläserne Karosserie gesehen. Der Marzal definierte, wie man Zukunft denkt, nicht wie man sie baut.

Lamborghini Espada/Foto: Lamborghini
Vom Einzelstück zur Blaupause
Ein Jahr später griff Lamborghini die Linienführung des Marzal für den Espada auf – das erste echte 2+2-Coupé aus Sant’Agata. Breite Front, Flächen statt Rundungen, die charakteristischen Heckblenden mit horizontalen Lamellen: alles Gandini. Der Espada wurde zum langlebigsten V12-Lamborghini seiner Zeit, gebaut bis 1978. Der Marzal blieb dagegen ein Unikat.
Die Glasflächen machten ihn zum Gewächshaus. Der Motor saß hinter der Rückbank, der Innenraum überhitzte binnen Minuten. Das Cockpit – silberne Sitze, sechseckige Anzeigen, filigrane Schalter – war ein technisches Kunstwerk, aber keine Gebrauchsanweisung für die Zukunft. Dennoch war die Studie ein Wendepunkt: Von nun an war Lamborghini nicht nur ein Hersteller schneller Autos, sondern auch eine Bühne für radikales Design.
Kein anderes Konzeptfahrzeug verkörpert so deutlich die Naivität und den Mut seiner Zeit. Der Marzal war die Idee, dass Fortschritt sichtbar sein sollte. Dass Luxus nicht durch Leder und Chrom entsteht, sondern durch Gedankenfreiheit. Vielleicht war das der Moment, in dem Lamborghini aufhörte, Autos zu bauen – und begann, Maschinen für den Mythos zu entwerfen.
Fotos: Lamborghini
























