30 Jahre Bugatti EB112 — Die vergessene Legende
Als die Vorhänge sich 1993 auf dem Genfer Automobilsalon öffneten, enthüllte Bugatti den EB112 und präsentierte in einer Zeit, in der Limousinen nicht mehr waren als schlichte Transportmittel, ein avantgardistisches Kunstwerk auf Rändern. Es war ein gewagter Schritt, doch das Unternehmen schuf damit eine völlig neue Definition von Luxus und Performance.
Dreißig Jahre sind seitdem vergangen, und anlässlich des 85. Geburtstags von Giorgetto Giugiaro, dem Designer des EB112 werfen wir in einer Ära, in der Automobilträume regelmäßig zu Realität werden, einen Blick zurück auf den EB112, der zwar nie in Serie ging, dessen ikonische Rolle dennoch in der Automobilgeschichte eingebettet ist.
Ein Design, das die Zeit überdauert
Der Blick auf den Bugatti EB112 erinnert an eine Mischung aus nostalgischer Eleganz und futuristischem Anspruch. Giugiaros geschickte Hand verband Elemente vergangener Bugatti-Modelle mit modernen Linien, die den EB112 zu einer lebendigen Hommage an die Geschichte und gleichzeitig zu einer mutigen Vorhut der Zukunft machten. Mit einem Blick auf die fließenden Linien des Bugatti EB 112 erinnert man sich unweigerlich an die legendären Modelle der Vergangenheit, wie den ikonischen Bugatti Type 57 Atlantic. Die langgezogene Motorhaube und die geschwungenen Kotflügel verleihen dem EB112 eine zeitlose Eleganz, während die kühnen Designelemente einen Hauch von modernem Flair hinzufügen. Tatsächlich trug das Fahrzeug zahlreiche stilistische Elemente, die in den kommenden Jahren zu charakteristischen Merkmalen der Marke Bugatti werden sollten. Der EB112 gilt in vielerlei Hinsicht als geistiger Vorgänger von Veyron und Chiron.
Doch die Mischung aus Vergangenheit und Gegenwart stieß nicht bei allen auf ungeteilte Begeisterung. Kritische Stimmen bemängelten die Abwesenheit eines klaren Stils, die den EB112 in einem identitären Zwiespalt gefangen hielt und das Gefühl einer zwanghaften Fusion vermittelte, während andere das Design als einen Jahrhundertentwurf feierten.
Unter der aufsehenerregenden und viel diskutieren Aluminium-Karosserie verbarg sich ein fortschrittliches Kohlefaser-Monocoque, das von Bugattis Supersportwagen EB110 abgeleitet war.
Motorisierung
Der Herzschlag des EB112 war ein 6,0-Liter-V12-Saugmotor (60 Ventile, fünf pro Zylinder) mit 460 PS und einem maximalen Drehmoment von 590 Nm, das bereits ab 3.000U/min zur Verfügung stand.
Der Allradantrieb des EB112 basierte auf der Technologie des EB110. Beim EB112 war das Drehmoment zu 38% auf die Vorderachse und zu 62% auf die Hinterachse verteilt, um unter allen Bedingungen eine hohe Traktion und Leistung zu gewährleisten. Diese Fähigkeit wurde durch die günstige Gewichtsverteilung des EB112 noch verstärkt, da der V12 so weit hinten wie möglich zwischen den Achsen in einer vorderen Mittelanordnung positioniert wurde.
Die Kombination aus diesem kraftvollen Antrieb einem Sechsgang-Schaltgetriebe und dem Allradantrieb ermöglichte eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in nur 4,3 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 300 km/.
Obwohl diese Karosserie- und Fahrwerkstechnologie 1993 wegweisend im Sportwagensegment und eine völlig neue Entwicklung im Bereich der Limousinen waren, gab es auch hier kritische Stimmen, denn im damaligen Feld der Hochleistungsautos fand sich der EB112 inmitten einer kompetitiven Arena wieder, die von anderen Luxus- und Hochleistungsautomobilen dominiert wurde. Zu den Hauptkonkurrenten des EB112 zählten Modelle von etablierten Luxusmarken wie Rolls-Royce, Bentley, Mercedes-Benz und BMW, sowie Ferrari und Lamborghini.
Einige Journalisten hoben die Leistungsfähigkeit des V12-Motors hervor, der es dem EB112 ermöglichte, auf Augenhöhe mit den besten Hochleistungsautos seiner Zeit zu fahren, zweifelten jedoch am praktischen Nutzen dieser Leistung und fragten sich, ob der EB112 in Bezug auf Handling und Alltagstauglichkeit mit der Konkurrenz Schritt halten könne, besonders angesichts seiner exklusiven Ausrichtung. Eine Frage, die vermutlich nur eine Handvoll Menschen auf diesem Planeten beantworten kann. Auch die Preise für die Fahrzeuge sind unbekannt, denn es soll nur drei Exemplare geben.
Zur Zeit der Einführung des Bugatti EB112 im Jahr 1993 befand sich das Unternehmen Bugatti in einer Phase des Wandels und der Unsicherheit. Zu dieser Zeit gehörte Bugatti dem italienischen Unternehmer Romano Artioli, der die Marke in den späten 1980er Jahren erworben hatte. Artioli eröffnete 1991 das “Bugatti Automobili S.p.A.”-Werk in Campogalliano, Italien, und wollte die Marke wiederbeleben.
Unter Artiolis Führung wurden mehrere Modelle entwickelt, darunter der Supersportwagen Bugatti EB110. Der EB112 sollte als luxuriöse Limousine dienen und das Portfolio von Bugatti erweitern. Die Einführung des EB112 sollte die Marke wieder ins Rampenlicht rücken und den Ruf von Bugatti als Hersteller von High-Performance-Fahrzeugen stärken.
Allerdings war die finanzielle Situation von Bugatti zu dieser Zeit nicht stabil. Obwohl Artioli großes Engagement zeigte, um die Marke wiederzubeleben, geriet das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten und konnte nicht die erwarteten Verkaufszahlen erzielen. Dies führte letztendlich dazu, dass Bugatti später in den 1990er Jahren Insolvenz anmelden musste.
Trotz dieser Schwierigkeiten hinterließ die Ära von Romano Artioli bei Bugatti eine bedeutende Spur in der Automobilgeschichte, einschließlich der Einführung des Bugatti EB112 als Teil der Bemühungen, die Marke wiederzubeleben und neu zu positionieren.
Verständlich, also, dass der EB112 eher in Fachkreisen und unter Automobilenthusiasten und -Sammlern Anerkennung findet — und ein Raunen durch die Automobilwelt geht, wenn, wie zuletzt vor zwei Jahren, ein Exemplar zum Verkauf angeboten wird.
Fotos: Bugatti