1987er Porsche 959 Speedster – Das Einzelstück
Es gibt Autos, die Geschichte schreiben. Und es gibt Autos, deren Geschichte selbst fast ein Roman ist – mit dramatischem Wendepunkt, interessanten Nebenfiguren und einem Finale auf der IAA-Bühne. Dieser Porsche 959 gehört zur zweiten Kategorie. Geboren als „Komfort“-Variante in Silbermetallic mit zweifarbigem Leder in Kaschmirbeige und Schwarz, rollte er am 6. November 1987 in Stuttgart vom Band. Damals war die Mauer noch hoch, Ayrton Senna fuhr Lotus-Honda – und Porsche baute mit dem 959 ein technologisches Monument, das seiner Zeit Jahre voraus war.
Der 959 war das Ergebnis eines Wettrüstens der Superlative. Entstanden als Homologationsmodell für die Gruppe B, sollte er eigentlich die Rallye-Welt dominieren. Doch bevor er die Waldbühnen dieser Welt so richtig erobern konnte, wurde die Gruppe B wegen zu vieler Todesfälle eingestellt. Ironie des Schicksals: Der 959 wurde zu einem Hightech-Renner ohne Gegner – und avancierte zur Tech-Ikone.
Dieses Exemplar soll ursprünglich an Jürgen Lässig ausgeliefert worden sein – einem der elegantesten Understatement-Rennfahrer der 80er-Jahre. Le Mans-Zweiter 1987, Daytona-Sieger 1995. Kein Mann der großen Worte, aber einer, der wusste, wo das Limit liegt – und wie man es überquert. Lässig meldete den Wagen am 23. November 1987 an und soll damit einige tausend Kilometer abgespult haben, bevor ihn das Schicksal auf der Autobahn erwischte. Unfall. Frontschaden. Ende der Geschichte?

1987 Porsche 959 Speedster Foto: RM Sotheby´s
Nicht ganz. Denn jetzt betritt Karl-Heinz „Charlie“ Feustel die Bühne – ehemaliger Porsche-Rennfahrer, leidenschaftlicher Schrauber und Inhaber einer kleinen, aber feinen Werkstatt östlich von Köln. In über 4.000 Stunden Handarbeit formte er zusammen mit zwei Mitstreitern aus dem gezeichneten 959 ein neues Auto. Keine Reparatur, sondern eine Neuschöpfung: den Porsche 959 „Speedster“.
Feustel wollte mehr als Originaltreue. Er wollte ein Statement. Grand-Prix-Weiß statt Silber, strahlend blaue Ledersitze statt gedecktem Beige, dazu ein abnehmbares Hardtop und – man höre und staune – ein elektrisch betätigtes Stoffverdeck. So etwas baute damals nicht einmal Porsche selbst.

1987 Porsche 959 Speedster Foto: RM Sotheby´s
Im Sports Car International Magazine war im Februar 1990 zu lesen: „Das Gesamtpaket spiegelt die Ideen und die echte deutsche Handwerkskunst dreier Menschen wider, die ein tiefes Interesse und eine große Liebe für edle Autos hegen.“ Treffender lässt sich das Projekt kaum zusammenfassen. So wie einst Pininfarina den 250 GT in den California Spider verwandelte, schuf Feustel seinen eigenen Mythos.
Der 959 „Speedster“ feierte 1989 auf der IAA in Frankfurt Premiere – prominent platziert am Stand von Auto Becker, jenem Düsseldorfer Luxushändler, der damals alles verkaufte, was mehr PS als Sinn hatte. Und mittendrin: dieser weiße Porsche, der mehr Einzelstück als Sportwagen war.

1987 Porsche 959 Speedster Foto: RM Sotheby´s
Feustel verlangte 1.200.000 Dollar. Damals eine beachtliche Summe für ein Auto. Aber es fand sich ein Käufer. Der Wagen wurde laut Ersatz-Serviceheft an Dr. Klaus Berg aus Karben verkauft, einen Sammler mit Faible für Exoten mit Geschichte.
Der 959 war ohnehin ein Fahrzeug, das seiner Zeit 10 Jahre voraus war: Alu-Kevlar-Karosserie, elektronisch gesteuertes Allradsystem (PSK – Porsche-Steuerkupplung), Höhenniveauregulierung und ein Bi-Turbo-Boxer, der 450 PS auf 1970 Kilo losließ. Heute ist das Serienniveau – damals war es Science-Fiction.

1987 Porsche 959 Speedster Foto: RM Sotheby´s
Der Wagen wechselte 2008 erneut den Besitzer und befindet sich bis heute in einem bemerkenswert guten Zustand. Die Lackierung in Grand-Prix-Weiß glänzt wie am ersten Tag, das blaue Lederinterieur trägt nur minimale Gebrauchsspuren – und das ganze Paket kommt mit Hardtop in Transportbox, Tonneau-Verdeck, einer getauschten „Speedster“-Windschutzscheibe, Ersatzspiegeln und Original-Bedienungsanleitung.
37 Jahre nach seiner Geburt, kehrt der 959 „Speedster“ noch einmal ins Rampenlicht zurück. RM Sotheby’s wird dieses Einzelstück am 22. Mai 2025 im Rahmen der Auktion in Mailand versteigern. Erwartet wird ein Zuschlag zwischen 1.100.000 und 1.500.000 Euro – umgerechnet etwa 1,25 bis 1,7 Millionen Dollar.