Turbo ohne Turbo: Der neue Renault R5
Renault hat es wieder getan. Sie haben eine Ikone ausgegraben, sie mit modernster Technik vollgestopft und dabei das heiligste Bauteil des alten R5 Turbo weggelassen: den Verbrennungsmotor. Willkommen beim Renault 5 Turbo 3E – einem vollelektrischen Mini-Supercar mit 540 PS, zwei Radnabenmotoren und einer gehörigen Portion Retro-Charme.
Doch kann ein Elektroauto wirklich den Geist eines der brutalsten Homologations-Renner aller Zeiten einfangen? Oder ist das hier nur eine sehr schnelle Requisite für nostalgische Instagram-Posts?

Die Motorsport-DNA des R5 Turbo
Wer den Namen R5 Turbo hört, denkt unweigerlich an breite Backen, giftige Leistungsentfaltung und den unvergleichlichen Klang eines mechanisch bearbeiteten Laders, der das Gemisch mit einer „Warte, warte, warte – BAM!“-Mentalität in die Brennräume presste. Das Ding war eine Bombe auf Rädern, die mehr Rallye-Pokale gewann, als sie Benzin verbrauchte – und das will was heißen.
Anfang der 80er Jahre entwickelte Renault den R5 Turbo, um ihn als Homologationsmodell in der Gruppe 4 und später in der legendären Gruppe B der Rallye-WM einzusetzen. Das Rezept war brutal einfach: Ein 1,4-Liter-Turbomotor mit bis zu 350 PS im Renntrimm, mittig im Heck platziert – dazu ein kurzer Radstand, der jede Kurve zur Hochrisikowette machte.

Foto: Renault
Der R5 Turbo gewann unter anderem die Rallye Monte Carlo 1981 und bewies, dass es nicht immer Allrad braucht, um die Konkurrenz zu deklassieren. Es war ein Auto für Leute mit schnellen Reflexen, starken Nerven und einer sehr guten Lebensversicherung.
Der Nachfolger, der R5 Turbo 2, war technikreduzierter, aber genauso wild. Heute sind beide Modelle absolute Sammlerstücke – und ihre Preise steigen schneller als passionierten R5 Fans lieb sein dürfte.

Der neue Renault 5 Turbo 3E – Radikal anders, aber auch radikal gut?
Springen wir ins Jahr 2024. Renault bringt eine Hommage an diese Legenden – und zwar elektrisch. Das Paket ist auf den ersten Blick beeindruckend: 540 PS aus zwei Radnabenmotoren an der Hinterachse sorgen für brachiale Beschleunigung, unterstützt von 4.800 Nm Drehmoment – ja, richtig gelesen! Elektromotoren machen’s möglich. Das Karbonfaser-Chassis maximiert die Steifigkeit bei minimalem Gewicht, während der Sprint von 0 auf 100 km/h in unter 3,5 Sekunden selbst den alten R5 Turbo alt aussehen lässt. Dank der 800-Volt-Architektur sind ultraschnelle Ladezeiten ebenfalls garantiert.
Aber Moment mal – Radnabenmotoren? Genau. Ein Konzept, das vor allem im Motorsport für Traktionskontrolle auf höchstem Niveau sorgt. Und Renault verspricht: Das Ding ist wie gemacht für Drift, Racing und maximale Agilität.
Das Gewicht liegt bei 1.450 kg, was für ein Elektrofahrzeug mit 70 kWh Batterie geradezu federleicht ist. Zum Vergleich: Ein Tesla Model 3 wiegt rund 1.800 kg. Der alte R5 Turbo? 970 kg.
Fahrverhalten: Wahnsinn oder Witz?
Der alte R5 Turbo war ein Biest, weil er unberechenbar war. Der neue Turbo 3E verspricht 100%ige Kontrolle – und genau da liegt die Krux. Kein Turbo-Lag mehr, weil: kein Turbo, kein schlagartiges Drehmomentloch – weil Drehmoment sofort da ist, kein mechanisches Differenzial, das durchdreht – weil elektronische Torque Vectoring alles regelt
Was bedeutet das für den Fahrer? Mehr Geschwindigkeit, aber weniger Drama. Die perfekte Linie ist mit dem neuen Turbo 3E einfacher zu treffen als mit seinem Vorgänger – aber genau das macht ihn für Nostalgiker vielleicht weniger aufregend.
Immerhin: Renault hat eine Drift-Assist-Funktion eingebaut, die über eine Rallye-Handbremse aktiviert wird. Ja, das ist so gut, wie es klingt. Und ja, es könnte das Auto retten, wenn es darum geht, den „Biest“-Charakter der Vergangenheit in die Zukunft zu übertragen.
Design: Retro-Futurismus oder einfach nur Show?
Hier muss man Renault gratulieren: Das Ding sieht mit seinem fahrdynamisch günstigen Verhältnis von Länge zu Breite im Verhältnis 2,01 umwerfend aus. Alles, was den R5 Turbo einst zur Legende machte, ist wieder da – breite Kotflügel, die an die wilde Gruppe-B-Ära erinnern, rechteckige LED-Scheinwerfer und ein kantiges Design, als hätte das Team direkt aus den 80ern eine Zeitreise gemacht. Und der Heckflügel? Fast so dramatisch wie die Bankzinsen anno 1981.
Renault hat hier nicht einfach einen alten R5 mit E-Motor nachgebaut – sondern ein Auto erschaffen, das die DNA des Originals trägt, aber für die Zukunft gezeichnet wurde.
Und hier die entscheidende Frage: Ist das noch ein R5 Turbo?
Die Antwort? Jein. Was er NICHT ist: Ein mechanisches Biest mit Turbo-Lag und Nervenkitzel in jeder Kurve. Ein brachialer, schwer zu bändigender Heckmotor-Koloss. Was er IST: “Ein Supersportwagen im Format eines kompakten Schrägheckmodells” trifft es vermutlich ganz gut. “Moderne Interpretation des Originals” ebenfalls. Für puristische Petrolheads ist es vermutlich ein No Go – aber für alle anderen ist der Turbo 3E h das Beste, was Renault uns in dieser Ära von Elektromobilität und Retro-Fieber geben konnte.
Und mal ehrlich: Wenn man schon elektrisch fahren muss – dann wenigstens SO.
Technische Daten
Abmessungen und Gewichte
Länge: 4,08 m
Breite: 2,03 m
Höhe: 1,38 m
Radstand: 2,57 m
Bodenfreiheit: 118 mm
Gewicht: 1.450 kg
Plattform
Maßgeschneiderte Elektro-Plattform
800-Volt-Architektur
Antrieb und Batterie
Elektrische Radnabenmotoren hinten, 2 x 200 kW (insg. 540 PS/4.800 Nm)
70-kWh-Lithium-Ionen-Batterie
WLTP-Reichweite: bis zu 400 km
Laden
Bidirektionales 11-kW-AC-Bordladegrät (AC-Ladezeiten 0-100 %: 8 Std.)
350-kW-DC-Schnelladung (DC-Ladezeiten 15-80 %: 15 min)
Fahrleistungen
0-100 km/h: < 3,5 Sek.
Höchstgeschwindigkeit: 270 km/h (auf der Rennstrecke)