Concept Car EXP 15: Bentleys Zukunft
Ein Bentley will nicht modern sein. Er will majestätisch sein. Breit, lang und schwer. Und genau das macht es so kompliziert, wenn man plötzlich ein rein elektrisches Modell entwickeln soll. Denn Elektromobilität funktioniert physikalisch, wirtschaftlich und ästhetisch nach anderen Regeln als die Welt, aus der Bentley kommt.
Der EXP 15 wurde unter der Leitung von Robin Page entworfen, der 2023 von Volvo kam. Seine erste Aufgabe: das neue Gesicht von Bentley zu gestalten. Und das ist wörtlich zu nehmen. Die markante Frontpartie des EXP 15 steht fast senkrecht in der Landschaft, der Kühlergrill, der seine eigentliche Bestimmung verloren hat, ist nicht mehr offen, sondern eine hinterleuchtete Lichtfläche mit digital animiertem Rautenmuster. Die vier Hauptscheinwerfer, früher rund, sind noch da – aber sie versinken nun tief in die Fläche und wirken wie eingeschmolzene Erinnerungen an frühere Formen.
Die Proportionen folgen einem klassischen Grand-Tourer-Layout. Das Fahrzeug ist über fünf Meter lang, hat eine besonders weit nach vorn gezogene Fronthaube und eine Kabine, die weit nach hinten versetzt wurde. Bentley spricht vom „Endless Bonnet“, also einer scheinbar unendlichen Haubenlinie, die sich über die Flanken bis zur C-Säule zieht. Diese Formensprache ist eine direkte Reminiszenz an das Fahrzeug, das den EXP 15 inspiriert hat: den „Blue Train Bentley“ von 1930. Jenes legendäre Coupé, mit dem Woolf Barnato einst gegen den gleichnamigen französischen Luxuszug antrat – und gewann. Damals ging es um Leistung, Distanz und Stil. Heute geht es um Reichweite, Ladenetzwerke und Design. Der EXP 15 versucht, diese Ideen zu verbinden.
Unter der Haube, wo früher V8 oder W12 wohnten, befinden sich heute zwei Staufächer. Der Antrieb ist elektrisch, aber über technische Daten schweigt sich Bentley aus. Die Karosserie ist flächig, geschlossen, fast monumental. Drei prägende Designthemen sollen den Stil der nächsten Bentley-Generation prägen: „Monolithic Presence“, „Muscular Form“ und „Carved Precision“. Auf Deutsch: Masse, Spannung, Schärfe.

Am Heck setzt sich die neue Formsprache fort. Die Rückleuchten sind geometrisch angeordnet, fast wie Muster in einem Wandrelief. Die Kofferraumfläche wirkt wie ein massives Tafelstück, in das das neue Bentley-Emblem eingearbeitet ist. Eine prestigeträchtige Fläche, nennt Bentley das. Gemeint ist: keine Schnitte, keine Nahtstellen, keine Störung. Auch das erinnert an klassische Kofferaufbauten der 1920er – aber eben übersetzt ins Heute.
Im Innenraum gibt es helle Wolle von britischen Traditionswebereien, geöltes Holz, 3D-gedruckte Titanapplikationen, versenkbare Displays, analoge Schalter und Knöpfe. Die Instrumente sind keine Bildschirme, sondern Objekte. Selbst ein ausfahrbares Hundebett wurde integriert – mehr als Geste denn als Funktion, aber immerhin konsequent zu Ende gedacht.
Auffällig ist das Layout der Sitze: Der EXP 15 bietet drei Plätze – Fahrer, Beifahrer und einen Rücksitz diagonal versetzt. Ausdruck einer neuen Art von Raumverständnis. Bentley will nicht mehr einfach Limousine oder Coupé bauen, sondern ein neues Format für das elektrische Zeitalter entwickeln.
Und doch bleibt der zentrale Konflikt: Wie elektrisch darf ein Bentley sein, ohne sich selbst zu verlieren? Die Marke war nie effizient, nie leise, nie digital im eigentlichen Sinn. Sie war immer handgemacht, schwer, traditionell. Der EXP 15 trägt dieses Erbe sichtbar mit sich – und wirkt deshalb ein wenig wie ein Denkmal, das sich bewegen will. Es ist das erste Mal, dass Bentley nicht nur ein Antriebsprinzip austauscht, sondern ein gesamtes Selbstverständnis.
Designchef Robin Page formulierte es vorsichtig so: Das Fahrzeug soll jüngere Kunden ansprechen, die moderne Ästhetik erwarten, aber trotzdem das Erbe der Marke spüren wollen. Bedeutet: Bentley muss den Spagat schaffen zwischen dem, was war, und dem, was kommt. Bis 2026 soll das erste rein elektrische Serienmodell erscheinen. Der EXP 15 zeigt, wohin die Reise geht– und dass man alte Vorstellungen von Luxus oder Ästhetik hinter sich lassen muss, um weiterfahren zu können.