Bertone Runabout (2025): Designstudie mit Straßenzulassung
Im März 2025 hat Bertone die neue Runabout als limitiertes Fahrzeugmodell vorgestellt. Es ist die erste Veröffentlichung der „Bertone Classic Collection“ unter der Leitung von Mauro und Jean-Franck Ricci und basiert formal und konzeptionell auf einer der radikalsten Designstudien des Hauses: dem Autobianchi A112 Runabout von 1969. Die heutige Umsetzung übernimmt zentrale gestalterische Motive des historischen Vorbilds, ersetzt jedoch die damals eingesetzte Kleinwagenplattform durch eine moderne Leichtbauarchitektur mit Mittelmotor und Handgetriebe.

Ursprünge: Nautik, Keilform, Konzept
Das Originalfahrzeug entstand unter Leitung von Marcello Gandini, zu jener Zeit Chefdesigner bei Bertone. Die Studie wurde für die Fiat-Tochter Autobianchi entwickelt, allerdings ohne Serienabsicht. Grundlage war der im selben Jahr vorgestellte Autobianchi A112 – eine italienische Antwort auf den englischen Mini. Während dieser über Frontmotor und Frontantrieb verfügte, baute Bertone das Konzeptfahrzeug für den Turiner Salon 1969 komplett um: Mittelmotor, Heckantrieb, freistehender Überrollbügel, keine Windschutzscheibe, nur ein flacher Frontabweiser. Die Optik war bewusst nautisch – in Proportion, Farbe und Gestaltung. Der Begriff „Runabout“ bezeichnet im Englischen sowohl kleine, schnelle Sportboote als auch frühe offene Automobile. Gandini kombinierte beides.
Der Aufbau war minimalistisch: Keilförmige Linienführung, abgerundete Radkästen, integrierte Scheinwerfer im Überrollbügel, zusätzliche Leuchten tief in der Front. Die Technik stammte weitgehend vom Fiat 128 – konkret: ein quer eingebauter Vierzylinder mit 1,1 Litern Hubraum, verlegt in die Fahrzeugmitte.
Das Originalfahrzeug
Der Autobianchi Runabout wurde nie in Serie gebaut. Autobianchi hatte sich 1967 vollständig in den Fiat-Konzern eingegliedert und keine Produktionsabsicht für einen derart kompromisslosen Zweisitzer. Heute befindet sich das Einzelstück in der historischen ASI Bertone Collection und wurde zuletzt beim ICE vor wenigen Monat gefahren. Der Zustand gilt als original und vollständig restauriert.
Die Studie wird rückblickend als Vorläufer mehrerer Serien- und Konzeptfahrzeuge eingeordnet, darunter der Fiat X1/9 (1972), die NSU Trapeze-Studie (1973) mit Wankelmotor sowie Gandinis eigene Entwürfe für Lancia Stratos HF und Lamborghini Countach. Besonders die Proportionen – kurzer Überhang vorne, langer Heckbereich mit betontem Überrollschutz – tauchen in den genannten Modellen erneut auf.

Umsetzung 2025: Reduktion und Technik
Die aktuelle Bertone Runabout übernimmt zentrale Elemente des historischen Fahrzeugs: klare Linienführung, reduziertes Volumen, ein bewusst zurückhaltender Innenraum mit analogen Instrumenten. Die Fahrzeugstruktur basiert auf einem Aluminium-Composite-Rahmen, die Karosserie besteht aus Verbundwerkstoffen. Für den Antrieb sorgt ein V6-Mittelmotor mit etwa 460 bis 493 PS, kombiniert mit einem 6-Gang-Handschaltgetriebe. Das Fahrzeug wiegt rund 999 Kilogramm und wird ausschließlich mit Hinterradantrieb angeboten.
Zwei Varianten sind verfügbar: eine Barchetta-Ausführung ohne vollständige Frontscheibe, sowie eine Targa mit Windschutz und abnehmbarem Dachteil. Beide Modelle sind auf funktionale Rückmeldung und mechanische Klarheit ausgelegt. Assistenzsysteme, elektronische Regelsysteme oder digitale Anzeigen spielen in der Konfiguration eine untergeordnete Rolle.

Bertone Runabout (2025)/ Foto: Bertone
Fertigung und Marktstellung
Die Runabout wird in Italien gefertigt. Die Gesamtstückzahl ist auf 25 Exemplare begrenzt. Der Nettopreis beginnt bei 350.000 Euro, die Produktion startet Mitte 2026. Käufer erhalten ein individualisiertes Fahrzeug mit möglicher Konfiguration in verschiedenen Farben: darunter „Azzurro Mediterraneo“, „Bianco Perla“ und „Rame Antico“.
In ihrer technischen Auslegung konkurriert die Runabout mit Kleinserienmodellen wie dem De Tomaso P72, Touring Arese RH95 oder ausgewählten Sonderprojekten etwa von Kimera Automobili. Die klare Linienführung, das geringe Gewicht und das reduzierte Interface grenzen das Modell bewusst von aktuellen Hochleistungssportwagen mit Hybridantrieb oder vollelektrischer Plattform ab.

Bertone Runabout (2025)/ Foto: Bertone
Relevanz
Die Bertone Runabout 2025 überträgt eine formal radikale Konzeptidee aus der Hochphase italienischer Designstudien in einen modernen, straßenzugelassenen Rahmen. Dabei werden zentrale Aspekte wie Proportion, Materialität und Gestaltungskonsequenz erhalten, zugleich jedoch durch aktuelle Technik ergänzt. Das Fahrzeug steht nicht für Retro, sondern für strukturelle Kontinuität unter veränderten Bedingungen. In der Geschichte von Bertone markiert es den bewussten Anschluss an das kreative Vermächtnis der 1960er-Jahre – und die strategische Rückführung dieser Haltung in eine kleinteilige, selektive Serienproduktion.
Fotos: Bertone/Stellantis