Bentley Supersports: Crewe wirft Ballast ab
Der Name ist alt, die Idee ist neu. Bentley belebt die Bezeichnung Supersports wieder – und diesmal nicht als übermotorisierten Grand Tourer mit Ledersalon, sondern als radikal abgespeckte Fahrmaschine. Ein Continental GT, der die hinteren Sitze streicht, seinen Allradantrieb ablegt und beinahe eine halbe Tonne verliert, klingt zunächst wie ein Satz aus einer Parallelwelt. Doch genau das ist passiert. Und es markiert einen Richtungswechsel, den Bentley seit Jahren angekündigt hat, aber nie so konsequent umgesetzt hat wie hier.
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Der Supersports ist die vierte Ausbaustufe dieses Namens.1925 knackte ein Bentley „Super Sports“ erstmals die 100 mph. 2009 kam der gewaltige W12-Supersports der ersten Continental-Generation und 2017 folgte ein noch stärkerer Nachfolger. Beide waren schwer, opulent und in ihrer Art kompromisslos, aber sie blieben klassische Grand Tourer mit denen man gelegentlich Ausflüge zur Rennstrecke machen konnte. Die 2025er-Version setzt dagegen auf Fokus, Gewichtsdisziplin und eine klar definierte fahraktive Ausrichtung.
Der Bruch mit der eigenen Komfortzone
Bentley hat sich nie als Leichtbau-Marke verstanden. Der Standard-Continental ist ein rollendes Kraftwerk aus Leder, Aluminium und Elektronik, gebaut wie eine Kreuzfahrtlounge und entsprechend schwer. Dass genau dieses Auto nun unter 2.000 Kilogramm fällt und nur noch zwei Sitze besitzt, ist bemerkenswert. Möglich wurde das durch mehrere Eingriffe: Der Wechsel auf reinen Hinterradantrieb, der Wegfall diverser Komfortsysteme, eine Karbonfaser-Diät für Dach, Sitze und Aeroteile sowie das Entfernen des kompletten hinteren Sitzbereichs inklusive Dämmung. Das Ergebnis ist ein GT, der auf Distanz zum gewohnten Bentley-Komfort geht. Nicht, weil es nötig wäre, sondern weil man damit eine neue fahrdynamische Ebene freilegt.

Bentley Supersports /Fotos: Bentley
Ein V8 ohne Rückversicherung
Während weite Teile der Branche elektrifizieren, setzt Bentley hier bewusst auf einen klassischen Verbrenner. Der 4,0-Liter-Twinturbo-V8 wurde verstärkt, erhält größere Lader und eine optimierte Peripherie. Die Leistungsdaten – 666 PS und 800 Nm – wirken in dieser Fahrzeugklasse vertraut. Doch entscheidend ist, wie diese Leistung eingebettet ist: Der Motor arbeitet ohne elektrische Unterstützung, atmet durch eine durchgehende Titan-Abgasanlage von Akrapovič und liefert damit eine unverfälschte, mechanisch geprägte Akustik. Ein klassischer Cross-Plane-Klang, kontrolliert, aber nicht antiseptisch. Die Fahrleistungen (3,7 Sekunden auf 100 km/h, rund 310 km/h Spitze) sind beachtlich, aber der Wagen ist nicht auf Rekordjagd getrimmt, er soll sich definierter anfühlen als die vollelektrifizierten Zukunftsmodelle in diesem Bereich.

Bentley Supersports /Fotos: Bentley
Der erste Continental, der hinten dreht – und nur hinten zieht
Das eigentlich Spektakuläre an diesem Modell ist nicht der Motor, sondern die Kombination aus Hinterradantrieb, eLSD, 16 mm breiterer Spur und einem komplett neu abgestimmten Chassis. Bentley hat sich – ähnlich wie Porsche beim GT-Programm – von reinen Roadtrip-Parametern gelöst und ein Fahrzeug gebaut, das nach aktiver Beteiligung verlangt. Der Supersports ist kein GT, der alle Fehler kaschiert. Er ist ein Bentley, der sein Gewicht durch ein ernstes Fahrwerkskonzept kontrolliert: Doppelquerlenker vorn, Multilink hinten, Twin-Chamber-Dämpfer, 48-Volt-Wankstabilisator, gezielte Bremseingriffe, präzise definierte ESC-Stufen und optional Pirelli Trofeo RS.
Die technischen Eckdaten lesen sich wie ein Statement einer neuen Ära: 440-mm-CSiC-Bremsen, Manthey-Racing-Felgen, bis zu 1,3 g Querbeschleunigung. Ein Bentley, der 1,3 g fährt, war lange ungefähr so wahrscheinlich wie ein Bentayga Cabrio.

Bentley Supersports /Fotos: Bentley
Karosserie und Aero: Funktion statt Auftritt
Der neue Supersports trägt einen der funktionalsten Aero-Sätze, die je an einem Bentley montiert wurden. Ein massiver Frontsplitter, doppelstöckige Diveplanes, B-förmige Luftleiter an den Kotflügeln, eine komplett neue Heckpartie mit Diffusor und ein feststehender Flügel – alles aus Karbon und alles darauf ausgelegt, die dynamische Balance zu halten. Kein reines Design-Gekreische, sondern ein durchgerechnetes Set, das das Gewicht von vorn nach hinten wandern lässt, je schneller das Auto wird.
Auch beim Gewicht spielt das Karbonpaket eine zentrale Rolle. Das neue Dach senkt den Schwerpunkt, die gelöschte Rückbank reduziert Masse und Struktur, der Verzicht auf mehrere Assistenzsysteme bereinigt das Gesamtpaket weiter.

Bentley Supersports /Fotos: Bentley
Interieur: Konzentration auf das Wesentliche
Der Innenraum ist Bentley-typisch hochwertig, aber nicht in der üblichen Lounge-Ästhetik. Die neuen Schalensitze sitzen tief im Fahrzeug, bestehen aus Karbon, tragen Dinamica-Auflagen und gehören zu den praxisnahen Leichtbaukonstruktionen in diesem Segment. Die hintere Sitzreihe ist verschwunden zugunsten einer strukturellen Karbonwanne, die das Auto optisch zu einem 2-Sitzer-Rennwagen macht. Leder, Aluminium, Karbon, dunkle Chromteile – nicht verspielt, sondern funktional.
Farblich lässt Bentley freie Hand. 24 Außenfarben, diverse Design-Themes, Akzentstreifen, matte Lacke, 22 Innenraum-Hauptfarben plus Kombinationsoptionen. Dazu die Möglichkeit, sich eine Wunschnummer der auf 500 Stück limitierten Produktion auszuwählen.

Bentley Supersports /Fotos: Bentley
Einordnung
Der Supersports markiert einen Wendepunkt in der aktuellen Markenentwicklung. Bentley will in den kommenden Jahren vollständig elektrisch werden. Vor diesem Hintergrund wirkt dieses Modell wie ein letzter, präzise gesetzter Marker: ein Fahrzeug, das die Möglichkeiten eines reinen Verbrenners ohne Gewichtszuschläge und Komfortballast zeigt. Kein Abgesang, sondern ein bewusster Fokus auf ein Prinzip, das in der künftigen Modellpalette keine große Rolle mehr spielen wird.
Für Bentley bedeutet das: nicht schneller, nicht größer, sondern direkter. Ein GT, der sich am Steuer lebendiger anfühlt, weil er nicht versucht, alles gleichzeitig zu sein. Das macht den Supersports nicht zu einem Exoten, sondern zu einem logischen Zwischenschritt in einer Phase des Übergangs.
Der Supersports richtet sich an Menschen, die einen Continental nicht als Gleiter, sondern als Präzisionswerkzeug einsetzen wollen. Die nicht den maximalen Luxus suchen, sondern ein klares Fahrgefühl. Die Wert darauf legen, dass Gewicht, Abtrieb und Antriebslayout zueinander passen. Und die in einem 2+0-Konzept keinen Mangel sehen, sondern eine Entscheidung.
Fotos: Bentley





























