Audi Concept C – Vertikaler Rahmen, horizontale Zukunft
Der „Vertical Frame“ – ein neues Markengesicht
Concept Cars sind traditionell die Spielwiese der Designer. Sie erlauben den Blick in eine Zukunft, die selten so kommt wie gezeigt, aber fast immer in Fragmenten im Serienalltag landet. Mit dem Audi Concept C wagt sich die Marke mit den vier Ringen nun an einen radikal reduzierten elektrischen Sportwagen, der zugleich Erinnerungen weckt: an die glorreichen Auto-Union-Silberpfeile der Dreißiger, an die kantigen Audi-Limousinen der Nullerjahre – und an eine Zeit, in der ein neues Gesicht noch eine echte Nachricht war.
Frontpartien von Autos sind Projektionsflächen. Sie signalisieren Status, Wiedererkennung und Markenidentität. Audi nennt das neue Zentrum seines Konzepts schlicht „vertical frame“. Ein aufrechter, markant proportionierter Rahmen, der die vier Ringe inszeniert und als Anker für die gesamte Fahrzeugarchitektur dient.

Auto Union Typ C/Foto: Audi AG
Historisch verweist Audi auf den Auto Union Typ C von 1936 – jenen Boliden, der auf der Avus und am Nürburgring mit Kompressor-V16 ein neues Geschwindigkeitszeitalter einläutete. Später dann auf die dritte Generation des Audi A6 (2004), deren Singleframe-Grill erstmals jene Größe zeigte, die heute jeder Audi trägt. Der Unterschied: Der neue Frame verzichtet auf Gier nach Fläche. Statt Horizontaldominanz setzt er auf Vertikalität, Klarheit und Präsenz.
Das wirkt fast wie ein Bruch mit der bisherigen Linie. Während BMW seit Jahren die Niere in die Länge zieht, wählt Audi die aufrechte Variante. Keine Gier, sondern Gravität. Ob das in Serie wirklich so kommt, bleibt offen. Doch als Zeichen taugt es: Hier verschiebt sich die Markenidentität.

Audi Concept C/Foto: Audi AG
Radikale Reduktion – Minimalismus mit Kanten
„Radikale Reduktion auf das Wesentliche“ – so beschreibt Audi die Designphilosophie. Was bedeutet das in der Praxis? Kein überladener Bildschirm-Zirkus, sondern eine klare Aufteilung der Flächen. Eine durchgehende Schulterlinie trennt Volumen und Leichtigkeit. Der Sportwagen duckt sich tief, wirkt aber nicht verspielt, sondern monolithisch.
Purismus bedeutet hier nicht Verzicht auf Spannung. Die Karosserie lebt vom Wechsel zwischen vollen Flächen und gezielt reduzierten Partien. Die Spannung liegt in der Ruhe, nicht im Chaos. Damit reiht sich Audi ein in eine Entwicklung, die man auch bei Porsche (Mission R), Polestar oder Mazda beobachten kann: die Abkehr vom „mehr ist mehr“ der frühen Elektrostudien hin zu einer Sprache, die den Stromer nicht mehr rechtfertigen muss, sondern selbstverständlich wirken lässt.

Audi Concept C/Foto: Audi AG
Dacharchitektur – Coupé und Cabrio zugleich
Ein technisches Statement liefert das Dach. Audi verzichtet auf die klassische Cabrio-Lösung mit Stoff und Gestänge. Stattdessen: ein elektrisch einfahrbares Hardtop aus zwei Elementen. Im geschlossenen Zustand fügt es sich in die monolithische Linie des Fahrzeugs, im geöffneten Zustand erlaubt es echtes Open-Air-Fahren.
Der Spagat ist bemerkenswert. Klassische Roadster litten immer unter der Frage: Schönheit mit Dach oder Schönheit ohne Dach? Der Concept C will beides können. In der Praxis wird man sehen, wie schwer, komplex und teuer so ein Mechanismus wäre. Aber als Vision, wie ein Roadster im Elektrozeitalter funktionieren könnte, ist er interessant.

Audi Concept C/Foto: Audi AG
Die neue Lichtsignatur – vier Linien als Identität
Audi lebt seit Jahren von seiner Lichttechnik. Matrix-LED, Laserlicht, OLED-Heckleuchten – kaum eine Marke hat Licht so konsequent als Teil ihrer Identität genutzt. Der Concept C geht den nächsten Schritt: vier horizontal angeordnete Elemente pro Scheinwerfer und Rückleuchte.
Das klingt banal, ist aber strategisch wichtig. Während viele E-Autos mit Leuchtbändern und LED-Animationen arbeiten, sucht Audi nach einem klaren Markenzeichen. Vier Linien – vorne wie hinten – sollen bei Tag und Nacht sofort „Audi“ signalisieren. Man erkennt die Absicht: nicht zu verspielt, nicht zu generisch.
Im Farbton „Titanium“ wirkt die Studie zusätzlich technisch, fast industriell. Hier zeigt sich der Versuch, Eleganz nicht über Chrom oder Ornament, sondern über Materialanmutung zu erzeugen.

Audi Concept C/Foto: Audi AG
Interieur – Haptik statt Tablet-Orgie
Das vielleicht wichtigste Statement liefert das Interieur. Während die Konkurrenz oft in Displays ertrinkt, setzt Audi auf „Shy Tech“: Technik, die sich zurücknimmt. Zentrales Element ist ein 10,4-Zoll-Display, das sich bei Bedarf ausfährt. Der Rest: physische Schalter aus eloxiertem Aluminium, klare Geometrien, Materialien, die nach Metall, Leder oder Naturstoff riechen, nicht nach Plastik.
Besonders betont Audi das „Audi Klick“-Gefühl der Bedienelemente. Das erinnert an HiFi-Anlagen der Achtziger, wo jeder Drehknopf ein Versprechen von Präzision war. In Zeiten von wischglatten Touch-Flächen wirkt das fast revolutionär.
Die Farbwelt ist von Titan inspiriert: warme, gedämpfte Töne, indirekte Beleuchtung, harmonisch, aber nicht steril. Zwei Sitze, klare Ausrichtung auf den Fahrer – ein klassisches Sportwagenstatement im E-Zeitalter.

Design sketch exterior Audi Concept C/Foto: Audi AG
Technik im Hintergrund – Mittelbatterie als Architekt
Über technische Daten schweigt Audi weitgehend. Doch klar ist: Das Fahrzeug basiert auf einer Mittelbatteriearchitektur. Anders als beim klassischen Skateboard-Prinzip, bei dem die Zellen im Unterboden liegen, wird hier das Packaging neu gedacht. Ergebnis: kürzere Überhänge, breitere Schultern, ausgewogene Proportionen.
Die Leistung bleibt offen, ebenso Reichweite oder Ladezeiten. Doch man darf davon ausgehen, dass ein Serienmodell – Audi deutet an, dass es kommt – mindestens die Werte heutiger RS-Modelle erreicht. Für Audi ist das Konzept weniger Leistungs-Statement als Design-Manifest. Technik folgt Design, nicht umgekehrt.

Jaguar 00/ Foto: Jaguar
Déjà-vu mit Jaguar – und warum das kein Zufall ist
Wer den Concept C betrachtet, spürt ein Déjà-vu: Die Linien, die Haltung, die Silhouette erinnern frappierend an den Jaguar Type 00. Beide Fahrzeuge setzen auf monolithische Flächen, eine zurückgenommene Lichtsignatur und einen gestreckten Fastback-Schwung.
Die Ähnlichkeit ist kein Zufall. Audi hat in den letzten Jahren gezielt Designer aus dem Jaguar-Land-Rover-Kosmos verpflichtet – unter anderem Führungspersonal aus dem Interieur- und Exterieur-Design. Deren Handschrift prägte in Coventry den Type 00 und findet sich nun in Ingolstadt wieder.
So erklärt sich, warum zwei Marken mit unterschiedlichen Botschaften – Jaguar mit „Exuberant Modernism“, Audi mit „Radical Reduction“ – plötzlich visuell so nahe beieinanderliegen. Jaguar setzt auf opulente Materialien und architektonische Anleihen, Audi auf Präzision und Zurückhaltung. Doch die formale DNA ist verwandt, weil dieselben Köpfe dahinterstehen.
Das macht den Concept C nicht zu einer Kopie, sondern zu einem Beispiel dafür, wie Designströmungen und Personalbewegungen Markenästhetik verändern. Für Beobachter bleibt es ein spannendes Detail: Der neue Audi trägt auch britische Gene.

Audi Concept C/Foto: Audi AG
Chancen und Risiken
Doch ist Minimalismus mehr als ein Design-Statement? Für den Käufer stellt sich die Frage: Will man wirklich zurück zu Tasten, Knöpfen und reduzierten Anzeigen? Oder hat sich der digitale Überfluss längst durchgesetzt?
Risiko eins: Der Serienalltag verwässert das Konzept. Wenn der Concept C als Serien-TT-Nachfolger kommt, drohen doch wieder mehr Displays, Assistenz-Menüs und Kompromisse. Risiko zwei: Reduktion kann steril wirken, wenn sie nicht von Emotion getragen wird. Minimalismus ist schwerer zu verkaufen als Überfluss.
Chancen: Audi könnte sich damit klar differenzieren. In einer Welt, in der Tesla die Software predigt und die Chinesen auf Screens setzen, könnte Audi das Gegenangebot liefern: ein emotionaler, reduzierter, haptischer Sportwagen, der trotz Elektro-Antrieb klassische Qualitäten feiert.

Design sketch exterior Audi Concept C/Foto: Audi AG
Manifest oder nur Studie?
Der Audi Concept C verspricht nichts weniger als eine neue Designära: vertikales Markengesicht, klare Linien, reduziertes Interieur, haptische Bedienung. Historische Zitate und Zukunftsorientierung verschmelzen zu einem Bild, das anders ist als das, was Audi zuletzt zeigte.
Ob daraus mehr wird als ein Messe-Highlight, hängt von zwei Dingen ab: Mut im Management und Akzeptanz beim Kunden. Sollte Audi diesen Weg wirklich gehen, könnte der Concept C als Wendepunkt gelten – ähnlich wie einst der erste TT, der die Marke in ein neues Zeitalter führte.
Fotos: Audi AG