Bugatti Brouillard: Wo Technik endet und Dekor beginnt
Manche Autos verändern die Welt. Andere stehen nur für sich selbst. Der Bugatti Brouillard gehört zur zweiten Sorte: ein Einzelstück, gebaut für die Vitrine des globalen Geldadels. Mehr Kunstobjekt als Fortbewegungsmittel – und das nicht nur wegen des Pferds im Schaltknauf.
Begleitet wird der Brouillard von einem Werbetext, der mehr Kunstgeschichte als technische Substanz liefert. Er steht sinnbildlich für eine Entwicklung, die Bugatti längst vollzogen hat: vom Autohersteller zum Erbauer fahrbarer Ikonen für eine Handvoll Sammler. So sieht sie aus, die Welt des ‚Programme Solitaire‘.

Einmalig, einmaliger, am einmaligsten
Brouillard – französisch für Nebel – ist der erste Wurf dieses neuen „Solitaire“-Programms, das laut Bugatti „die Grenzen der Personalisierung verschieben“ soll. Gemeint ist: Noch exklusiver als „Sur Mesure“, noch individueller, noch seltener. Zwei Fahrzeuge pro Jahr, maßgeschneidert bis zum Schaltknauf. Die Zielgruppe? Leute, die nicht nur einen Bugatti besitzen, sondern auch die Möbel von Carlo und die Bronzeskulpturen von Rembrandt Bugatti im Wohnzimmer stehen haben – und wahrscheinlich auch das Wohnzimmer selbst von Jean Bugatti entwerfen lassen würden, wäre der nicht seit 1939 tot.
Das alles klingt nach einer Überdosis Dekadenz. Und genau das soll es auch sein. Brouillard ist kein Supercar, er ist eine automobile Stilübung für Menschen, die sich Bedienelemente aus Platin für ihre Villen, Yachten und Privatjets anfertigen lässt.

BUGATTI Solitaire â Brouillard/Foto: Bugatti
Die Technik? Bekannt. Aber gut.
Unter dem kunstvoll ausgeleuchteten Blech steckt altbekanntes Bugatti-Können: Der 8,0-Liter-W16 mit vier Turboladern – 1.600 PS stark – bringt das Einzelstück nach altbewährtem Muster nach vorne. Basis ist also der Chiron Super Sport, samt Carbon-Aluminium-Chassis und Aerodynamiktricks aus dem Bugatti-Lehrbuch. An der Mechanik wurde offenbar nicht viel verändert. Der Brouillard fährt nicht anders – er sieht nur anders aus.

Design: Skulptur auf Rädern oder Poesie im Nebel?
Der Auftritt: dunkel am Boden, hell im oberen Drittel – eine Reminiszenz an klassische Kunst, heißt es. Auch das Glasdach, die durchgehende Mittelachse und die Aluminiumskulptur im Schaltknauf verströmen eine Aura, die irgendwo zwischen Haute Couture und Pferdestall pendelt. Ja, Brouillard bedeutet nicht nur „Nebel“, sondern war auch gleichzeitig der Name eines Pferdes. Ein echter, vierbeiniger Vollblüter, den Ettore Bugatti einst verehrte – und dem nun, 75 Jahre nach seinem Tod, ein Auto gewidmet wird. Nicht von Bugatti selbst, sondern von einem Sammler, der in dieser Hommage sein persönliches Meisterstück sieht.
Ob das der W16 verdient hat? Immerhin: Die Details sind makellos. Tartanstoff, grün getöntes Carbon, handgestickte Pferdemotive – Bugatti zeigt hier, was geht, wenn Budget kein Thema ist. Der Schaltknauf aus einem Aluminiumblock mit Miniaturpferd wirkt fast schon ironisch. Fehlt nur noch, dass es wiehert, wenn man startet.

BUGATTI Solitaire â Brouillard/Foto: Bugatti
Karosseriebau 2.0 – ein Rückgriff auf die Zukunft
Bugatti erinnert mit dem Solitaire-Programm an die große Zeit der Karosseriebaukunst – Type 57 SC Atlantic, Atalante, Galibier. Damals waren Bugattis fahrende Kunstwerke, oft Einzelstücke, gebaut für Maharadschas, Filmstars und Industriemagnaten. Heute ist es ähnlich – nur dass die Kunden nicht mehr berühmter, sondern nur noch reicher werden.
Die Wiederbelebung dieser Idee ist clever – und kalkuliert. In einer Zeit, in der der Chiron technisch kaum noch weiterzuentwickeln ist und der Nachfolger (wohl hybridisiert oder elektrisch) vor der Tür steht, braucht es neue Impulse. Und wenn man keine Leistung mehr draufpacken kann, dann eben Leder, Lack und Legende.

BUGATTI Solitaire â Brouillard/Foto: Bugatti
Ein eigenes Kapitel in der Geschichte von Bugatti
In Foren und Kommentaren zum Brouillard findet man Erstaunliches: Lob für die Handwerkskunst, aber auch Stirnrunzeln über den Pathos. „Zu viel Oper, zu wenig Straße“, schreibt ein Nutzer. Ein anderer fragt trocken: „Was wiegt eigentlich das Pferd im Schaltknauf?“ Die Auto-Enthusiasten-Gemeinde zeigt sich gespalten. Einige feiern die Hommage, andere vermissen den automobilen Ernst.
Denn was dem Brouillard fehlt, ist ein fahrdynamisches Alleinstellungsmerkmal. Kein neues Fahrwerk, kein Innovationssprung, kein Performance-Benchmark. Hier fährt ein Chiron in Maßanzug – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Ettore Bugatti hätte es womöglich gefallen – nicht das Pferd im Schaltknauf, sondern der Gedanke, dass ein Mensch mit genügend Geld sich sein eigenes Kapitel Bugatti-Geschichte schreiben lässt. Und seien wir ehrlich: Wenn man schon 1.600 PS verpackt, dann wenigstens so, dass es aussieht wie ein Gedicht, das man selbst geschrieben hat.
Fotos: Bugatti