Renault Espace F1: 810 PS im Kofferraum
Auch wenn das Ziel mit Sicherheit sehr schnell erreicht würde: Die Fahrt in den Urlaub oder zum Einkaufen empfiehlt sich mit dem „Espace F1“ überhaupt nicht. Denn dort, wo gewöhnlich das Urlaubsgepäck oder der Wochenend-Einkauf verstaut wird, rumort bei der schnellsten Raumlimousine der Welt ein rund 810 PS starkes Renault F1-Triebwerk. Hintergrund: Anlässlich des zehnjährigen Produktionsjubiläums des Espace sowie zur Feier der dritten in Folge errungenen Formel 1-Konstrukteurs-Weltmeisterschaft, hatten Renault, Matra und der Grand Prix-Rennstall Williams 1994 einen Renner im Espace Design auf ultrabreite Slick-Reifen gestellt. Unter der Außenhaut des Espace II, die schon viele Details der aktuellen Generation vorwegnahm, verbarg sich lupenreine Formel 1-Technik.
Auf Basis eines 1993er Williams FW14-Chassis, mit dem Alain Prost gerade seinen vierten Formel 1-Fahrertitel gewonnen hatte, baute der Rennwagen-Konstrukteur Gérard Ducarouge eine spektakuläre Fahrmaschine. Die Position der fünf komfortablen Rücksitze belegte hier der 810 PS starke 3,5-Liter-Zehnzylinder von Renault, der RS5b-Motor, der ein Jahr zuvor in der Formel 1 das Maß der Dinge darstellte. Den Kofferraum beanspruchte das halbautomatische Williams-Sechsgang-Getriebe, das über Knöpfe am kleinen Rennlenkrad geschaltet wurde und die Power des Zehnzylinders auf die mit profillosen Gummiwalzen bestückten Hinterräder übertrug.
Die Fahrleistungen des Espace F1 gaben der Redewendung „Namen sind Schall und Rauch“ eine ganz neue, treffende Bedeutung: Bei beherzten Tritten auf das Gaspedal entwickelte das Showcar jenen infernalischen Sound, der Musik in den Ohren aller Renn-Fans ist. Beim Beschleunigen – den Sprint von null auf 200 km/h absolvierte der Espace F1 in nur 6,3 Sekunden – qualmten trotz Traktions kontrolle die „Socken“. Auf der vorn 27, hinten 36 Zentimeter breiten Bereifung standen bei Kurvenfahrt Querbeschleunigungskräfte von 1,5 bis 2,0 g an. Annähernd 300 km/h erreichte der Renn-Van als Top-Speed. Auch die Verzögerung der Kohlefaser-Bremsscheiben (Durchmesser: 355 Millimeter vorn, 280 hinten) presste die Passa giere im Extremfall mit dem Vierfachen ihres Körpergewichts in die Sechspunktgurte.
Ein riesiger Dachspoiler, ein Heck-Diffusor und ein vergrößerter Lufteinlass mit integriertem Frontflügel im Bug sorgten dafür, dass der Espace F1 auf der Rennstrecke nicht den Boden unter den Reifen verlor – bei Tempo 300 schwingen sich auch Jumbo-Jets in die Lüfte. Apropos Flugzeuge: Die Geräuschemissionen im Interieur erreichten auf Grund der acht hinter den Vordersitzen frei liegenden, nunmehr aber überdachten Ansaugtrompeten, imposante 160 dB(A) – ein mit Nachbrenner startender Düsenjet klingt dagegen wie ein laues Lüftchen. Heiß her ging es im Formel 1-Espace auch bezüglich der Innenraum-Temperaturen: Auf 60 Grad Celsius und mehr heizte das Grand Prix-Aggregat das Interieur dieser einzigartigen Raum -limousine auf. Ex-Grand Prix-Pilot Eric Bernard (45 WM-Läufe für Larousse und Ligier) merkte einmal an, dass der 1.100 Kilogramm leichte Renn-Espace den größten Spaß immer dann vermittele, wenn er auf zwei Rädern durch die Kurven gehetzt würde.